Cannabis und CBD bei Endometriose? Immer mehr Frauen behandeln Endometriose mit Cannabis und CBD auf eigene Faust. Sind Cannabis und CBD eine sichere Alternative zu Schmerzmitteln und Operation? Was sagt die Wissenschaft?
Cannabis und CBD bei Endometriose
Schätzungsweise 11 Prozent der amerikanischen Frauen zwischen 15 und 44 Jahren leiden unter den Symptomen der Endometriose. In Deutschland sind schätzungsweise 2 Millionen Frauen von der Endometriose betroffen. Endometriose ist eine gutartige, meist schmerzhafte Wucherung von Gewebe der Gebärmutterschleinhaut (Endometrium). Es siedelt sich außerhalb der Gebärmutter in benachbarten Organen an. Dabei sind häufig der untere Bauch- und Beckenraum betroffen. Auch die Eileiter und die Eierstöcke können von Gewebe überwuchert werden. Symptome sind u.a. starken Schmerzen, Müdigkeit und Übelkeit. Wirksame Behandlungen gibt es nur wenige. Aus diesem Grund nehmen viele Frauen in den USA die Behandlung der Symptome selbst in die Hand. Sie konsumieren Cannabis oder greifen zur Schmerzlinderung auf Cannabidiol (CBD) zurück. Dies geht aus einer im November 2019 im Journal of Obstetrics and Gynaecology Canada veröffentlichten Umfrage hervor.
Cannabis und CBD bei Endometriose zur Schmerzlinderung
Die Schmerzlinderung bei Endometriose sei für Frauen ein zentrales Thema. Schmerzen wirkten sich auf viele Bereiche aus wie z.B. Arbeit, Beziehungen, akademische Studien und natürlich psychische Gesundheit, sagt der Mitverfasser der Studie, Dr. Mike Armour. Dr. Armour ist ein Postdoc-Forschungsstipendiat für Frauengesundheit am NICM Health Research Institute der Western Sydney University in Australien. Das Team von Dr. Armour befragte fast 500 australische Frauen im Alter zwischen 17 und 45 Jahren. Es fand heraus, dass 13 Prozent der Befragten sich selbst mit Cannabis behandelten, um die Symptome der Endometriose zu lindern. Die Autoren schätzen, dass ihre Ergebnisse darauf hindeuten, dass etwa 10 Prozent der australischen Frauen mit Endometriose Cannabis zur Symptom- und Schmerzbehandlung verwenden.
Cannabis und CBD bei Endometriose als Alternative zu herkömmlichen Schmerzmitteln
Frauen berichten häufig, dass sie die Endometriose-Symptome mit den empfohlenen Medikamenten oder einer Operation nicht in den Griff bekommen können. Es gibt nur wenige Hinweise darauf, dass die derzeitigen Behandlungsmethoden die Schmerzen der Endometriose lindern. So scheinen nichtsteroidale Antirheumatika wie Ibuprofen nicht wirksam zu sein. Bei opioiden Schmerzmitteln besteht ein starkes Sucht- und Missbrauchspotenzial. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die hormonale Empfängnisverhütung (Antibabypille) die Symptome verringern kann. Viele Frauen hören jedoch wegen der von ihnen wahrgenommenen Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen und Depressionen mit dem Gebrauch wieder auf oder vermeiden ihn ganz. Frauen mit Endometriose würden oft berichten, dass sie trotz diverser Medikamente Schmerzen haben, die schwer zu ertragen seien, sagt Dr. Armour. Deshalb sei es nicht überraschend, dass sie auf Cannabis und CBD zurückgreifen, fügt er hinzu. Einige Studien deuteten darauf hindeuten, dass Cannabis und CBD Schmerzen lindern könnten.
Cannabis die populärste illegale Droge in den USA
Cannabis ist die populärste illegale Droge in den USA. Seit 2007 ist der Konsum jedes Jahr kontinuierlich angestiegen. Ab 2017 gaben 7,7 Prozent der amerikanischen Erwachsenen an, Cannabis innerhalb des letzten Monats konsumiert zu haben. Insgesamt 33 Bundesstaaten und der District of Columbia haben bisher medizinisches Cannabis legalisiert. 11 Bundesstaaten und D.C. erlauben Cannabis auch für den Freizeitgebrauch. Weitere 16 Bundesstaaten haben den Besitz kleiner Mengen der Droge entkriminalisiert. Cannabis ist auf US-Bundesebene nach wie vor illegal. Die Verordnung von Cannabis ist daher selbst in Staaten, die Cannabis legalisiert haben, nach wie vor illegal. Ärzte können jedoch eine Empfehlung für die Pflanze abgeben. Sie dürfen die Vorteile der Pflanze erläutern, wenn der Patient an einer Krankheit leidet, für die das regionale Gesetz gilt (in der Regel schwere Krankheiten wie Krebs, HIV/AIDS, Glaukom oder Multiple Sklerose).
Cannabis in den USA als Droge der Liste 1 eingestuft
Da die Drug Enforcement Agency (US-amerikanische Strafverfolgungsbehörde zur Unterbindung der illegale Herstellung von Drogen und des Drogenhandels) Cannabis offiziell als Droge der Liste 1 einstuft, gibt es derzeit keine akzeptierte medizinische Behandlung mit Cannabis. Es erfordert ein strenges Genehmigungsverfahren für die Erforschung von Cannabis. Daher gibt es bisher nur wenig überprüfte Forschungen bezüglich der Wirkstoffe der Pflanze. Dies lässt Lieferanten zögern, ein Medikament zu empfehlen, das nicht streng untersucht wurde und dessen Inhalt und Dosierung nicht von der FDA (US-amerikanische Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde) reguliert wird.
Cannabidiol (CBD) weltweit immer stärker nachgefragt
Unterdessen ist das Interesse an CBD, in den letzten Jahren weltweit stark angestiegen. Obwohl CBD ein wesentlicher Bestandteil von Cannabis ist, enthält es kein Tetrahydrocannabinol (THC). Es verursacht daher kein „High“. Laut einer Gallup-Umfrage vom August 2019 geben 14 Prozent der amerikanischen Erwachsenen an, dass sie CBD anwenden. Am häufigsten konsumieren sie CBD bei Schmerzen (40 Prozent), Angstzuständen (20 Prozent) und Schlaflosigkeit (11 Prozent). Nur ein von CBD hergeleitetes Medikament, das schwer therapierbare Krampfanfälle bei Kindern behandelt, wurde von der FDA bisher zugelassen. Alle 50 US-Staaten haben CBD in irgendeiner Form legalisiert. Viele Handelsunternehmen haben CBD so ziemlich jedem Produkt beigefügt, das man sich nur denken kann – von Cheeseburgern über Zahnstocher bis hin zu Mundwasser. Auch in Deutschland ist die Rechtslage bezüglich CBD alles andere als klar geregelt. Viele Drogeriemärkte, CBD-Shops und Bioläden bieten CBD in den unterschiedlichsten Produkten an. Man befindet sich weiterhin in einer rechtlichen Grauzone.
Cannabis und CBD bei Endometriose
Cannabis beeinflusst das Endocannabinoid-System (ESC). Die natürlichen Moleküle wirken auf dieses spezialisierte biologische System. Es hält u.a. die Selbstregulation im Körper aufrecht. ECS-Rezeptoren finden sich im gesamten menschlichen Körper. Sie sind an einer Vielzahl von Prozessen beteiligt. Dazu gehören Schmerzen, Stress, Schlaf, Stoffwechsel, Immunabwehr und Fortpflanzung. Forschung hierzu fehlen jedoch noch weitgehend. Sowohl die Gebärmutter als auch die Eierstöcke haben stark ausgebildete Cannabinoid-Rezeptoren. Daher könnte Cannabis eine besonders starke Wirkung auf Schmerzen bei Endometriose haben, meint D. Armour. Einige Forscher glauben sogar, dass Cannabis das Wachstum von Endometriumsgewebe verlangsamen könnte. In jüngster Zeit habe sich herausgestellt, dass das Endocannabinoid-System mit spezifischen Mechanismen interagiert, die mit Schmerzen einhergehen. Außerdem scheine es eine wichtige Rolle bei der Zellvermehrung und dem Zelltod zu spielen. Allerdings wurde bisher nur wenig klinisch getan, um dies zu untersuchen“, erklärt Dr. Armour.
Cannabis und CBD bei Endometriose als Schmerzmittel – was sagt die Forschung
Es gibt wenig Forschung über Cannabis als Schmerzmittel. Eine kürzlich veröffentlichte Arbeit hat jedoch herausgefunden, dass Cannabis Beckenschmerzen und den Opioidkonsum wirksam reduzieren könnte. In der Studie von Dr. Armour bewerteten die Befragten die Wirksamkeit von Cannabis im Durchschnitt mit 7,6 von 10. 55 Prozent berichteten, dass sie den Medikamentenbedarf um mindestens die Hälfte reduzieren konnten. Frauen berichteten über die größten Verbesserungen bei Schlaf und Übelkeit/Erbrechen. Nur 10 Prozent gaben an, dass sie unerwünschte Nebenwirkungen wie Angst, Schläfrigkeit und schnelle Herzfrequenz empfanden. CBD scheint schmerzstillende, entzündungshemmende und immunmodulierende Eigenschaften zu haben, sagt Dr. Armour. Es sei jedoch noch nicht sicher, ob CBD bei der Endometriose ebenso viel potenzielle Schmerzlinderung bieten kann wie THC.
Cannabis bei Endometriose – gibt es Risiken?
Momentan sind sich die Forscherinnen und Forscher einig, dass es noch nicht genug wissenschaftliche Erkenntnisse zu Cannabis und CBD gibt. Aussagen über die Vorteile oder Risiken von Cannabis sind noch schwer zu belegen. Menschen mit einem Risiko, eine Sucht oder Schizophrenie zu entwickeln, sollten den Konsum ganz unterlassen. Patienten mit Lungenerkrankungen sollten das Rauchen unbedingt vermeiden. Es kann zu Entzündungen der Atemwege, Keuchen und Engegefühl in der Brust führen. Für Patienten, die sich für den Konsum von Cannabis interessieren, sei das Gespräch mit einem Arzt, der sich mit dem ESC auskennt, ein wichtiger erster Schritt, sagt Dr. Armour.
CBD bei Endometriose – gibt es Risiken?
Dagegen scheint CBD weniger risikoreich zu sein. Es hat nicht die psychoaktive Wirkung von THC. Es bestehe kein nachweisbares Risiko von Missbrauch oder Abhängigkeit, stellt Dr. Armour fest. Dennoch gibt es nach wie vor Gefahren. Da CBD nicht von der FDA reguliert wird, ist es unmöglich, die genauen Inhaltsstoffe oder deren Konzentration in einem bestimmten Präparat zu erkennen. Die FDA hat festgestellt, dass einige CBD-Produkte Verunreinigungen wie Pestizide und Schwermetalle enthalten. Darüber hinaus kann CBD die Wirkungsweise einiger Medikamente beeinflussen. Es hat sich in präklinischen Untersuchungen und Fallstudien gezeigt, dass die Art und Weise, wie einige Medikamente verstoffwechselt werden, verändert wird. CBD scheine in dieser Hinsicht problematischer zu sein als THC, bemerkt Dr. Armour. Die Anbieter sollten Patienten, die CBD konsumieren, über alle anderen Medikamente, die sie einnehmen, befragen. Auf unerwünschte Nebenwirkungen müsste genau geachtet werden, fügt er hinzu.
Cannabis und CBD bei Endometriose – gibt es sanfte Alternativen
Dr. Armour weist auch auf andere, nicht-pharmakologische Behandlungsmethoden hin. Auch diese könnten die Symptome der Endometriose bekämpfen. Einige Frauen finden Linderung durch Wärmepackungen, heiße Bäder und Wärmeflaschen. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Akupunktur zweimal wöchentlich über mehrere Monate hinweg Beckenschmerzen lindern kann. Es ist jedoch unklar, ob die Wirkung nach Abschluss der Behandlung anhält.